Reisebericht |
Schüleraustausch mit Russland 2006 |
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4. Tag, Montag, den 12. 06. 2006 Wie immer in aller Frühe aus dem Bett gekrabbelt, steht für uns heute noch eines in Moskau an: Direkt vor dem Hotel findet jeden Tag ein Markt statt, nebenbei der größte Gebrauchsgütermarkt Russlands. Wir brauchen also nicht weit zu gehen, schon befinden wir uns mitten im Getümmel. So viele Stände auf einmal haben wir noch nie gesehen! Der Markt ist so riesig, dass man es innerhalb von zwei bis drei Stunden nur schwer schafft einmal drüber zu gehen und dabei auch noch ab und zu stehen zu bleiben und zu schauen. Es ist sehr verwinkelt und man muss darauf achten, sich nicht zu verlaufen. Die gegenüber stehenden Stände bilden enge Gässchen, in denen man sich durch Einheimische und natürlich auch andere Touristen quetscht. Manchmal werden wir von Händlern laut auf Russisch oder Englisch angesprochen und einige Male auch am Ärmel festgehalten, als Aufforderung, zu kaufen (Das machen wir natürlich nicht!).
So wie gestern
ist es auch heute ziemlich warm. Man soll ja
schließlich nicht meinen, dass in Russland ständig
alles von
Schnee bedeckt ist, auch wenn das einem die Bilder in den Medien, die
Russland häufig nur im Winter zeigen, weismachen
könnten. Wir
zumindest, können uns ein winterliches Russland im
Moment nur
schwer vorstellen, denn bisher haben wir eher geschwitzt als gefroren.
Folglich bekommt die Russin hinter ihrem Getränkestand ein
paar
Rubel (die wir nur noch Rubbels nennen) in die Hand
gedrückt, damit wir die trockenen Kehlen wässern
können
(Übrigens: Die Fanta in Russland ist farblich viel dunkler als
in
Deutschland, schmeckt aber genauso). Mit etlichen kleinen Souvenirs mehr im Rucksack, geht es zurück ins Hotel, wo wir unsere mittlerweile gepackten Koffer holen, um in der Lobby ein letztes Mal auf das Eintreffen des Kleinbusses zu warten, der uns gleich zum Bahnhof bringen wird. Wie so oft werden wir mit Verspätung abgeholt. Pünktlichkeit scheint nicht gerade eine russische Stärke zu sein. Irgendwann kommt der Bus dann aber doch noch und fährt uns zum Bahnhof. Mit einem _lachenden und einem weinenden Auge_ nehmen wir Abschied von Moskau um uns am Abend ins „Abenteuer Gastfamilie“ zu stürzen.
Am Bahnhof
sitzen wir dann auf „gepackten
Koffern“ und warten darauf, in die Eisenbahn einsteigen zu
dürfen. Die Eisenbahn sieht wirklich, auch objektiv gesehen,
denke
ich, schön und ein wenig altmodisch aus. Unser Abteil hat bequeme Sitze, auf denen wir die nächsten acht Stunden verbringen würden. Wir verstauen unser Gepäck und machen es uns bequem. Trotz der langen Fahrtzeit, wird es uns nicht langweilig. Wir lachen viel, tauschen unsere Zeitschriften aus, schlafen, hören Musik oder sitzen für eine halbe Stunde im feinen (und wunderbar klimatisierten) Speisewagen. Es verwundert nicht, dass wir acht Stunden fahren müssen. Verwöhnt vom ICE, kommt uns diese Eisenbahn so langsam vor, dass man aus dem Fenster heraus Blumen pflücken könnte(Ja, das ist natürlich übertrieben!J). Wie auch schon bei unseren Busfahrten, kommen wir an ausgedehnten Birken- und Kiefernwäldern vorbei. Bereits in den Kirchen und Klöstern, die wir gesehen haben, ist uns aufgefallen, dass die Birke in Russland eine zentrale und vor allem religiöse Bedeutung hat. Sie ist das Wahrzeichen Russlands und steht im Allgemeinen für Hoffnung. Abgesehen davon, dass in Russland weit mehr Wald ist als in Deutschland, ist die Vegetation recht ähnlich. Es fällt schwer sich vorzustellen, dass auch Tiger in dem Land umherstreifen. Doch unsere Aufmerksamkeit richtet sich jetzt natürlich nicht auf Tiger, sondern erst einmal auf das Ankommen. Gegen Abend hält der Zug endlich in St. Petersburg. Rasch nehmen wir unsere Koffer und Rucksäcke an uns und steigen aus. Mit breitem Lächeln werden wir von der Schulleiterin der Goethe- Schule begrüßt. Sie heißt Tatjana und einige von uns kennen sie bereits von ihren Besuchen in Deutschland her. Wir werden auf die Gastfamilien aufgeteilt. Leider ist die Organisation nicht sehr gut, denn für vierzehn Personen sind nur vier Gastfamilien vorhanden. Drei der Gastfamilien nehmen zwei bis drei Schüler auf, der Rest, insgesamt acht Leute, kommt bei Tatjana unter. Bis auf drei von uns sollten wir in den kommenden Tagen in der Schule untergebracht werden (Die Schule hat ihr Einzugsgebiet über die ganze Stadt. Damit die Schüler nicht mehr nach Hause fahren müssen, wenn es abends noch Veranstaltungen in der Schule gibt, befindet sich in jedem Klassenraum ein Schlafsofa, das wir uns hinterher zu zweit teilen sollten.). Auf dem Weg zu den jeweiligen Gastfamilien bekommen wir erste Eindrücke der Stadt. Man merkt sofort, dass man sich in einer Metropole aufhält. Die Straßen sind breit und voller Menschen, die Häuser riesig und alles summt trotz der Uhrzeit wie ein Wespennest, was jedoch im angenehmen Sinne gemeint ist. Sofort fällt auf, dass sich Moskau und St. Petersburg stark voneinander unterscheiden. Moskau ist eine ziemlich alte Stadt, die bereits vor über 850 Jahren das erste Mal urkundlich erwähnt wurde, und in der sich viele Epochen, zumindest was den Baustil anbelangt vereinen. Nicht zuletzt der Einfluss Stalins prägt dort das Stadtbild (Im Stadtkern findet man viele Gebäude aus der Zarenzeit [Barock und Klassizismus, vereinzelt auch noch altrussische Hochhäuser], um den innersten Ring befinden sich Gebäude aus der Stalinzeit, weiter außen finden sich die modernen Plattenbauten mit bis zu vierzig Stockwerken.). Hier ist es anders. Wie wir später erfahren sollten, ist St. Petersburg gerade einmal 250 Jahre alt. Alle Häuser sind sehr einheitlich gebaut, solche Hochhäuser und Plattenbauten wie in Moskau gibt es im Zentrum der Stadt nicht. Die Häuser hier sind zwar groß, aber breiter und niedriger als in Moskau. Nicht zuletzt weil die Häuser alle annähernd denselben Baustil vereinen, wirken die Straßen in sich stimmig. Da die Stadt, wie erwähnt, nicht einmal 300 Jahre alt ist, ist fast die gesamte Innenstadt im barocken und klassizistischen Stil erbaut. Am Ende der Reise sollten wir uns alle einig sein, dass uns St. Petersburg viel besser gefällt als Moskau, obgleich beide Städte viel zu bieten haben. Ganz gleich, wer in welcher Gastfamilie untergebracht ist, man kommt nicht umhin zu bemerken, dass wir zur Zeit der „Weißen Nächte“ in St. Petersburg angekommen sind. In diesen Wochen wird es nie richtig dunkel. Die dunkelste Zeit liegt zwischen ein und zwei Uhr nachts, doch auch da ist es noch hell genug um draußen zu lesen. Das wirkt sich auch auf den Tagesrhythmus der hier lebenden Menschen aus. Selbst um ein Uhr nachts (!) sind noch alle Geschäfte geöffnet und die Straßen so voll wie in Deutschland an einem Samstagvormittag. Dafür müssen die St. Petersburger am nächsten Morgen später zur Arbeit, als es in Deutschland der Fall ist. Die verspäteten „Arbeitszeiten“ gelten leider nicht für uns. Am nächsten Morgen sollen wir uns um 9:00 Uhr im Speiseraum der Goetheschule treffen. Und so fern wie uns noch gestern St. Petersburg war, ist uns heute Abend Moskau. Merkwürdig wie erschöpft man von acht Stunden Fahrt mit der Eisenbahn sein kann. Na ja - Nichtstun ist mit Sicherheit auch anstrengend. Gute Nacht! weiter zum 5. Tag, Dienstag, den 13. 6. 06 |